Blog

Der unglaubliche Fall des verschwundenen Körpers

Moderne Isolationstanks bedienen sich zwar hochentwickelter Technologie, funktionieren aber im Grunde ganz einfach. Der Tank ist im wesentlichen ein geschlossener Behälter von der Größe eines waagerecht liegenden Kleiderschrankes. Das Behältnis birgt einen seichten Warmwasserteich (Tiefe: etwa fünfundzwanzig Zentimeter), in dem etwa 350 Kilogramm Epsomer Salz aufgelöst sind. Auf diese Weise entsteht eine hochgesättigte Lösung, die weit mehr Auftrieb bewirkt als das Tote Meer oder der Große Salzsee. Wer sich in dieses Wasser legt, schwimmt oben wie ein Korken. Bei geschlossener Tür ist es im Innern des Tanks vollkommmen dunkel. Das vollständige Fehlen äußerer visueller Reize erleben die meisten von uns im Alltagsleben niemals - da wir selbst in den dunkelsten Räumen oder in der dunkelsten Nacht bei fest geschlossenen Augen immer noch etwas Licht aus der Umgebung wahrnehmen. Im Tank ist es nicht mehr möglich zu beurteilen, ob die Augen offen oder geschlossen sind. Man befindet sich also sofort in einem visuellen Blankout.

Da die Ohren unter Wasser liegen und mit Stöpseln verschlossen sind, kommt es außerdem zu einem fast vollkommenen Fehlen von äußeren Geräuschen. Auch zu dieser Erfahrung gibt es kein Gegenstück im Alltagsleben. Durch dieses Abschalten von visuellen Eindrücken und Geräuschen erzeugt der Isolationstank einen BlankoutEffekt, der dem des gleichbleibenden Ganzfelds und rosa Rauschens beim Tranquilite gleichkommt. Der Tank aber geht noch weiter, indem er auch die Reize einschränkt, die die anderen Sinnesorgane erreichen. Das Wasser im Tank wird konstant auf einer Temperatur von 34 Grad Celsius gehalten, was der Körpertemperatur an der Hautoberfläche entspricht - man fühlt weder Wärme noch Kälte, alsbald verliert man jede Wahrnehmung für die Trennlinie zwischen Haut und Wasser, die Grenzen des Körpers scheinen sich aufzulösen. Dabei wird ein Blankout der Sinne für Berührung, Druck, Reibung und andere Hautwahrnehmungen erzeugt.

Noch eine weitere Sinneswahrnehmung wird durch das Schweben auf dem Wasser ausgeschaltet: der ewig gegenwärtige Druck der Schwerkraft. Dazu der Erfinder des Tanks, der Neurophysiologe John Lilly: «Man ist von der Schwerkraft befreit. Der ganze Kampf mit der Schwerkraft, dem man den ganzen Tag über ausgesetzt ist, ist nicht mehr da. Etwa neunzig Prozent der neuralen Aktivität sind immer damit beschäftigt zu beurteilen, wo die Schwerkraft ist, in welcher Richtung sie wirkt, wie man sich bewegen kann, ohne zu fallen. Sobald man sich auf dem Wasser treiben läßt, ist man von all diesen ständigen Schwerkraftberechnungen befreit. Plötzlich hat man einen riesigen Apparat von Werkzeugen in der Hand, der bisher zu anderen Zwecken verwendet wurde, und man kann etwas Neues zum eigenen Nutzen damit anfangen. . . Es ist, als ob man irgendwo zwischen Mond und 'Erde treibt; nichts zieht an einem. Sobald man sich bewegt, weiß man natürlich, wo man ist. Bewegt man sich aber nicht, dann verschwindet die Umgebung, und sogar der Körper kann dabei verschwinden. » [203] ' Der Tank erreicht mit technischen Mitteln ein rasches, leichtes, zuverlässiges und ungefährliches Abschalten der Sinne. Einen Zustand, den all die Meditationstechniken wie Zählen der Atemzüge, Chanting, Wiederholen von Mantras und auf einen Punkt Starren erstreben, aber kaum einmal erreichen. Selbst Tankneulinge finden sich innerhalb von Minuten gewichtslos schwebend, körperlos, in einer schwarzen, stillen Leere wieder.

Von Meditationstechniken gibt es so viele mit so vielen Variablen, daß man sie nur schwer zum Gegenstand großangelegter, objektiver, kontrollierter und wiederholbarer wissenschaftlicher Untersuchungen machen kann. Der Isolationstank hingegen ist eine kontrollierbare und gleichbleibende Umgebung, die sich ideal zur wissenschaftlichen Forschung eignet. Wenn man versucht, Informationen über Meditation zu gewinnen, muß man häufig Gruppen von Personen, die sich bestimmten Meditationstechniken widmen, mit Kontrollgruppen vergleichen, in denen die Menschen (normalerweise) einfach ruhig dasitzen. Doch, wie wir gesehen haben, ist es oft schwer zu beurteilen, ob ein Mensch während der Meditation einen wirklich meditativen Zustand erreicht. Bei Verwendung des Tanks jedoch kann es keinen Zweifel daran geben, wer drin ist und wer nicht. Deshalb liefert der Isolationstank genau das, was jedem Wissenschaftler so ans Herz gewachsen ist - harte Daten, wertfreie Statistiken, wiederholbare objektive Studien. In der Folge hat es in den letzten Jahren einen Boom von Isolationstank-Forschungen gegeben. An der Funktion des menschlichen Geistes interessierte Wissenschaftler haben sich in großer Zahl damit beschäftigt - darunter kognitive Psychologen, Neuroendokrinologen, Pädagogen und Psychiater. Dank dieser Forschungen steht eine vergleichsweise große Datenmenge über die Auswirkungen des Isolationstanks und sensorische Deprivation zur Verfügung.